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Was für mich #regrettingmotherhood bedeutet - und was nicht

Aktualisiert: 6. Nov. 2020


"Wenn ich mit dem Wissen von heute nochmal zurückreisen könnte, ich würde mich gegen das Kinderkriegen entscheiden."


Bumm. Die Augen des Gegenübers werden größer, der Mund öffnet sich in ungläubigem Staunen.

Dass es Mütter gibt, die ihre Entscheidung bereuen Kinder bekommen zu haben, ist für viele derart unvorstellbar, dass es sie in Schockstarre versetzt. Ich kann das verstehen, denn mir geht es andersherum genauso: Derart in der Mutterrolle aufzugehen, dass es einen überglücklich macht, ist für mich schlicht unvorstellbar. Wir können uns nun mal leider nicht einfach in die "Haut" eines/r Anderen teleportieren um nachzufühlen, wie diese/r empfindet. Wir können es lediglich ansatzweise versuchen zu verstehen und den Gefühlen des/der Anderen gegenüber offen bleiben.


Was bedeutet der Begriff #regrettingmotherhood für mich und wie unterscheidet er sich von ambivalenten Muttergefühlen? Warum sage ich, ich bereue meine damalige Entscheidung und grenze das von den widersprüchlichen Gefühlen zur Mutterschaft hab, die viele anderen Frauen durchaus auch haben?


Seit ich Mutter wurde habe ich viele Momente als negativ empfunden und ich hatte von Anfang an das diffuse Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Das Mutter sein fühlte sich nicht so an, wie es sein sollte. Wie es die Medien und die Erzählungen der Anderen vermittelten. Ich fühlte mich falsch. Ich dachte ich mache etwas falsch, weil ich einfach anders empfand.


Das alleine macht jedoch noch kein #regrettingmotherhood. Viele Mütter stehen heutzutage dazu, dass Mutter sein für sie nicht immer eine Erfüllung ist, dass es sie zuweilen nervt, dass man jede Menge negative Gefühle darüber hat. Sie stehen dazu, dass sie ambivalente Gefühle in Bezug auf ihr Mutter sein haben und eben nicht immer alles eitel Sonnenschein ist. Ihre Mutterschaft in Summe bereuen sie jedoch nicht.


Bis ich meine diffusen Gefühle in Worte fassen konnte und schließlich auf die bereute Mutterschaft stieß dauerte es seine Zeit. Die Hoffnung darauf, dass das was ich empfand nur vorübergehend war und sich bald ändern würde, war noch zu groß. Erst als meine Tochter bald drei Jahre alt war, begriff ich für mich, dass sich an diesen Gefühlen eben doch nicht so schnell etwas ändern würde - vielleicht auch nie.


#regrettingmotherhood definiert sich für mich daher durch die folgenden zwei Aspekte - die sich im Übrigen auch mit der Definition der israelischen Soziologin Orna Dornath*, die das Thema erforscht hat, decken:


1. Ich war konstant unglücklicher mit meinem Leben, seit ich Mutter geworden war. Würde ich eine positiv/negativ Liste schreiben würde die negative Seite für mich in Summe überwiegen.


UND


2. Wenn ich früher gewusst hätte, wie Mutter sein sich für mich anfühlte bevor ich ein Kind bekam - ich hätte mich wohl gegen ein Leben mit Kindern entschieden.


"Dass du dich traust das zu sagen!" höre ich oft.

"Was wird dein Kind mal später dazu sagen, wenn du so redest?" höre ich noch öfter.


Ich traue mich das zu sagen, weil es so ist. Weil sich an meiner RealitätEmpfindungen und meinen nichts ändert, ob ich darüber nun spreche oder nicht.


Vor allem aber traue ich mich das zu sagen, weil ich zwischen meinen Gefühlen der Mutterrolle und denen meiner Tochter gegenüber differenziere. Ich liebe mein Kind, jetzt da es da ist. Ich gebe mein Bestes um ihm eine gute Mutter zu sein. Aber ich bin nicht glücklich dabei. Und ich würde die Entscheidung daher nicht noch einmal so treffen. Nicht mehr und nicht weniger bedeutet #regrettingmotherhood für mich.


#regrettingmotherhood ist für viele genau deshalb so unvorstellbar, weil sie diese Unterscheidung nicht verstehen. Weil sie diesen Widerspruch für nicht möglich halten. Weil sie einem unterstellen man würde das Kind weggeben wollen. Doch dem ist (zumindest bei mir) nicht so:


Ja, ich sage ich würde meine Entscheidung heute anders treffen.

Ja, ich sage ich war bisher mehr unglücklich als glücklich seit ich Mutter bin.

Ja, Mutter Sein fühlt sich für mich weder natürlich, noch selbstverständlich an.

Ja Mutter Sein ist für mich mehr Arbeit und Aufgabe als Sinnerfüllung.


ABER


Ich hasse mein Kind nicht, ich liebe es über alles.

Ich gebe meinem Kind auch nicht die Schuld an meiner Situation , denn die Entscheidung habe damals ich getroffen.

Ich möchte meinem Kind nichts Böses, ich will es nicht tot sehen oder ihm in irgendeiner Form Schaden zufügen.

Ich möchte mein Kind nicht weggeben. Jedes Mal wenn ich von ihr getrennt bin, denke ich an sie.

Ich vernachlässige mein Kind nicht - ganz im Gegenteil. Ich gebe Tag für Tag mein Bestes.

Ich will meinem Kind nicht das Gefühl vermitteln, dass es unerwünscht oder störend sei. Genau deshalb versuche ich mir die Auszeiten zu nehmen, die ich brauche.


VOR ALLEM ABER


Es ist nicht alles schlecht für mich am Mutter Sein. Ich habe mich in manchen Bereichen so weiterentwickelt, bin so weit über mich hinausgewachsen wie noch nie zuvor im Leben. Ich bin nicht immer nur mies gelaunt, Zeit mit meinem Kind zu verbringen ist nicht immer nur anstrengend für mich und nicht immer nur fühlt sich Mutter Sein für mich schlecht an. Aber eben oft.


UND


Das Reden darüber hilft mir. Ich kann meine Gefühle seither endlich einordnen. Ich versuche nicht mehr gegen diese Gefühle anzukämpfen, ich kann meinen Frieden damit machen. Ich habe eine offene Baustelle weniger, die mich innerlich beschäftigt. Das gibt mir mehr Freiraum und Kraft für meine Tochter die Mutter zu sein, die ich ihr wünsche.


Mir ist bewusst, dass ich nicht weiß, wie ich in 20 Jahren darüber denke. Die grundsätzliche Frage, ob es das alles "wert" war, kann ich heute gar nicht abschließend beantworten, da ich ja nicht weiß, was noch kommt. Wie ich noch fühlen werde. Ich kann nur über die letzten fast vier Jahre sprechen. Und die habe ich meine Entscheidung eben bisher überwiegend bereut. Und ich finde, das muss erlaubt sein.


Auch stark ambivalenten Muttergefühlen haftet in unserer Gesellschaft heutzutage leider oft noch ein Beigeschmack an. Wer sich negativ über das Mutter sein äußert bekommt oft zu hören: " Du hast dich doch für Kinder entschieden, jetzt jammere nicht so rum." Aber damit, dass einem als Mutter eben nicht immer die Sonne aus dem Allerwertesten scheint, können sich die meisten Menschen noch halbwegs identifizieren. So lange das Gemeckere in ihren Augen nicht überhand nimmt.


Mütter aber sollten alle Gefühle zur Mutterschaft haben dürfen. Ohne verurteilt zu werden, ohne als krank und widernatürlich abgestempelt zu werden. Ohne sich permanent den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, dass sie ihren Kindern damit schaden, indem sie zu ihren Gefühlen stehen. Denn diese Gefühle sind real, sie sind da und ob wir darüber reden oder nicht ändert nichts an ihrer Existenz.


* Orna Dornath, #Regrettingmotherhood: Wenn Mütter bereuen

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